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"Nackte Heiraten" stellen Chinas Hochzeitstraditionen auf die Probe

Datum:14-08-2011

Eine Eigentumswohnung und ein Auto: Für zahlreiche Chinesen sind dies die materiellen Grundbedingungen, um eine Ehe schließen zu können. Doch immer mehr junge Leute wollen sich diesem Diktat nicht mehr unterwerfen und heiraten "nackt", also ohne diese Bedingungen zu erfüllen.
 
Wang Shaowei und Zhang Xin haben auf fast alles verzichtet, was ein Ehepaar sonst für eine chinesische Heirat haben muss: Ein eigenes Apartment, ein Auto, Eheringe und eine teure Hochzeitszeremonie. "Wir hatten ein großes Essen in unserer gemieteten Wohnung, um den Beginn unserer Ehe zu feiern", sagte der 26-jährige Wang, der mit seiner Frau in Shijiazhuang lebt, der Hauptstadt der Provinz Hebei. Die Hochzeit hatte auf diese Weise nicht viel mehr als die neun Yuan für das Ehe-Zertifikat gekostet.
 
Doch die schlichte Eheschließung, welche die beiden hinter dem Rücken ihrer Eltern vollzogen, hat die ältere Generation erzürnt. Die Eltern zwangen daraufhin die Frischvermählten, eine verspätete Zeremonie durchzuführen. Später musste das Paar in eine Wohnung ziehen, welche Wangs Familie gekauft hatte und ein Auto benutzen, welches Zhangs Eltern kauften. "Meine Eltern konnten eine Hochzeit ohne Wohnung und Rituale nicht akzeptieren", sagte Zhang.
 
In den vergangenen Jahren hat eine steigende Zahl von jungen Chinesen sich entschlossen, "nackt" zu heiraten, wie dieses Phänomen auf Chinesisch heißt. Manche wollen damit ihre Unabhängigkeit beweisen, während andere keine andere Wahl haben. Normalerweise muss die Familie des Bräutigams jahrelang Geld sparen, um dem Paar eine Wohnung zu kaufen, oder zumindest eine Anzahlung zu ermöglichen. Dazu kommt eine Hochzeitsfeier und Geschenke für die Familie der Braut. Die Familie der Braut hingegen sollte die Einrichtung beisteuern oder ein Auto kaufen.
 
Gemäß einer Umfrage von China Youth Daily haben sich rund 48 Prozent der 3214 Befragten für eine "nackte Heirat" ausgesprochen, während nur rund 23 Prozent dagegen waren. Bei der Umfrage zeigte sich jedoch auch, dass 55 Prozent der Befragten glaubten, dass es Mut braucht, um "nackt" zu heiraten. 43 Prozent vertraten die Ansicht, dass sich das Eheleben eines Paars, das "nackt" geheiratet hat, sehr viel schwerer gestalten würde als das von Paaren, die einen besseren finanziellen Status haben.
 
"Verglichen mit anderen Paaren, die bereits alles hatten, als sie heirateten, scheint meine Ehe ein bisschen schäbig", sagte eine Freundin von Wang Haimin. "Aber wir waren acht Jahre zusammen und ich denke, dass Liebe und nicht Geld die Grundlage einer Ehe sein sollte." Auch zwei Jahre nach der Hochzeit leben die beiden noch in einer gemieteten Wohnung.
 
Dennoch glauben viele an das chinesische Sprichwort, wonach für arme Paare alles schief läuft. "Wenn ein Paar jeden Tag ums Überleben kämpfen muss, dann treten mehr Spannungen auf", zeigt sich der Internetnutzer Wolongcha in einem Blogbeitrag überzeugt. "Das ideale Leben für Chinesen ist ein friedliches und wohlhabendes Leben. Eine Ehe ohne ein solides materielles Fundament ist unstabil", glaubt Wang Shuqin, eine 50 Jahre alter Chinese.
 
Obwohl die traditionellen Werte noch immer tief im Denken vieler Chinesen verwurzelt sind, haben Experten eine wachsende Akzeptanz der "nackten Ehe" ausgemacht. Dies zeige einen offeneren Umgang der Jugend. "Heute realisieren immer mehr junge Paare, dass sie die Last des Lebens gemeinsam tragen können und zusammen nach Glück streben können, statt einfach ernten zu wollen, ohne zuvor gesät zu haben", sagte der Soziologe Zhu Pingyan von der Central China Normal University.