Zumindest in einer Hinsicht ähnelt China immer mehr den westlichen Industriegesellschaften: Seine Bevölkerung altert rapide und zieht zunehmend in die Städte. Das geht aus den Ergebnissen der größten Volkszählung der Welt hervor, die das chinesische Statistikamt am Donnerstag vorstellte. China zählt nur alle zehn Jahre seine Bevölkerung. Um Daten zur Migration zu bekommen, wurden Wanderarbeiter erstmals an ihrem Wohnort gezählt und nicht dort, wo sie von Kindesbeinen an registriert sind. Die FTD fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
Bevölkerungswachstum
In der Volksrepublik leben heute offiziell 1.339.724.352 Chinesen. Davon sind 48,7 Prozent Frauen und 51,3 Prozent Männer. Das Bevölkerungswachstum verlangsamt sich: Seit 2000 stieg die Zahl der Chinesen um 5,84 Prozent oder 73 Millionen - das entspricht in etwa der Einwohnerzahl der Türkei. In dem Jahrzehnt davor war die Bevölkerung noch um 11,7 Prozent gewachsen. "Eine so geringe Fortpflanzung und Bevölkerungszunahme bedeutet, dass China in Zukunft schrumpfenden Kohorten von jungen Arbeitskräften gegenübersteht, sowie einem viel ernsteren Überalterungsproblem, als es vor zehn Jahren erwartet wurde", sagte Statistikamtschef Ma Jiantang.
Überalterung
Anders als in anderen Schwellenländern altert Chinas Gesellschaft, bevor sie reich wird. Der Anteil der über 60-Jährigen stieg im Vergleich zu 2000 um drei Prozentpunkte auf 13,3 Prozent. Dagegen fiel der Anteil der unter 16-Jährigen um 6,3 Prozentpunkte auf nur noch 16,6 Prozent. Die Überalterung ist ein landesweiter Trend, doch besonders spürbar wird er in den entwickelten Küstenregionen und den Metropolen. In Schanghai etwa wurden schon am Montag lokale Zensusdaten bekannt gegeben.
Ihnen zufolge ist ein knappes Viertel aller Schanghaier über 60 Jahre alt - rund 3,3 Millionen Menschen. Die Zahlen dürften der Debatte um die Ein-Kind-Politik neue Nahrung geben. Präsident Hu Jintao hat deshalb vorsorglich schon vor Bekanntgabe der Ergebnisse angekündigt, die strikte Geburtenkontrolle werde beibehalten.
"Chinas Sorge ist nicht das Bevölkerungswachstum", sagt dagegen Wang Feng, Demograf und Direktor des Brookings Institute Tsinghua Center for Public Policy in Peking. "Sondern, dass die Menschen älter werden und junge Leute immer weniger Kinder möchten. Wenn die Regierung wirklich weiter eine Politik fährt, die die Geburtenrate drosselt, sendet sie China auf den Weg ins Desaster." Wegen der hohen Kosten für Wohnraum und Ausbildung wünschen sich viele Städter heutzutage ohnehin nur ein Kind - oder gar keins.
Urbanisierung
49,7 Prozent aller Chinesen leben in Städten - das sind mehr als 665 Millionen Menschen. Bei der letzten Volkszählung vor zehn Jahren waren es erst 36,1 Prozent gewesen. Die Zahlen sind allerdings nicht direkt vergleichbar, weil damals eine andere Zählmethode angewendet wurde. Die Verstädterung ist neben der Ein-Kind-Politik auch Ursache für die Trends zu Kleinfamilie oder Singlehaushalt: Im Schnitt leben nur noch 3,1 Menschen in einem Haushalt. Vor zehn Jahren waren es noch 3,44.
Migration
Laut dem Zensus leben 261 Millionen Menschen seit mindestens sechs Monaten nicht mehr dort, wo ihr "Hukou" ist - die Registrierung, die viele Chinesen verwaltungstechnisch strikt an ihren Geburtsort bindet. Damit gibt es erstmals eine halbwegs genaue Zahl der Wanderarbeiter. Vor zehn Jahren waren nur 117 Millionen Migranten gezählt worden, was den meisten Experten als zu gering erschien. Damals war die Zählmethode anders, aber vor allem hatten sich viele Wanderarbeiter versteckt - aus Angst, in ihre Heimatorte zurückgeschickt zu werden. Dem versuchten die Volkszähler diesmal entgegenzuwirken, indem sie versprachen, dass die Erfassung im Zensus keinerlei Konsequenzen haben werde.
Bildung
Das Bildungsniveau ist deutlich gestiegen. Von 100.000 Bürgern haben 8930 einen Universitätsabschluss, 14.032 die Hochschulreife. Im Jahr 2000 waren es nur 3611 beziehungsweise 11.146 gewesen. Die Zahl der Analphabeten sank binnen 15 Jahren um 30 Millionen auf heute gut vier Prozent der Bevölkerung.