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Internationale Konferenz an der Tongji zum Thema „Kulturdialog im Wandel“

Datum:03-12-2018

Kulturbeziehungen zwischen verschiedenen Ländern sind das Ergebnis komplexer Diskurse. „Kulturdialog im Wandel: Deutsch-chinesische Einschätzungen“ lautete der Titel der internationalen Konferenz, die vom 30. November 2018 bis zum 1. Dezember 2018 gemeinsam vom Zentrum für Chinesisch-Deutschen Gesellschaftlich-Kulturellen Austausch (CDGKA) der Shanghaier Tongji-Universität und dem in Stuttgart ansässigen Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) in den Räumen des Chinesisch-Deutschen Gebäudes an der Tongji ausgerichtet wurde. Bereits im Herbst 2017 hatten sich die chinesischen und die aus Deutschland angereisten Teilnehmer auf der ersten Konferenz zum Thema des chinesisch-deutschen gesellschaftlich-kulturellen Austausches an der Tongji-Universität intensiv über die damals im Mittelpunkt stehende Frage nach Chinas Deutschland-Kompetenz und Deutschlands China-Kompetenz auseinandergesetzt. Entsprechend dem in diesem Jahr auf die Frage gerichteten Fokus der Konferenz, welche gesellschaftlichen Faktoren Nachfrage und Interesse am Kulturaustausch prägen, waren zahlreiche Experten aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft, Stiftungen und Medien beider Länder eingeladen worden, um ihre Einschätzung abzugeben. Professor Wu Jiang, Vizepräsident der Tongji, ging in seiner Begrüßung zunächst auf die Entwicklung der in den vergangenen 40 Jahren durchgeführten Politik der Reform und Öffnung Chinas ein und wies auf die starken aktuellen Veränderungen in einer komplexer gewordenen Welt hin, die freilich auch neue Chancen eröffnet. Eine wichtige Konstante in der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit in Wissenschaft und Kultur sind fraglos die von Wu Jiang angeführten zahlreichen Kooperationen der Tongji mit deutschen Universitäten und Fachhochschulen, chinesisch-deutsche Doppelstudiengänge usw. (zur Rede Vizepräsident Wus in chinesicher und deutscher Fassung vgl. den Link

https://mp.weixin.qq.com/s?__biz=MzI2MzU3Nzc1NA==&mid=2247495593&idx=2&sn=59bdf1ea4cb2241400da13b8c0596699&chksm=eabb665cddccef4acd0ffad4ac4a7d7184a2f45ce88a60a00fc226bbb36858bb96a0c9552001&token=1207789094&lang=zh_CN#rd)

In ihrer gemeinsam mir Professor Hu Chunchun (stellv. Direktor des CDGKA) durchgeführten Vorstellung des Konferenzkonzepts ging Dr. Odila Triebel, die Leiterin des Bereichs „Dialog und Forschung. Kultur und Außenpolitik“ (ifa) zunächst auf die Geschichte der ifa als ältestem Kulturmittler Deutschlands ein, dessen Vorläuferinstitution 1917 noch zur Zeit des Ersten Weltkriegs gegründet worden war. Ausführlicher kam Dr. Triebel u.a. auf die Bedeutung einer Dokumentierung und Moderation des Kulturdialogs, anzuwendende Methoden etc. im Kontext der vergangenen hundert Jahre zu sprechen, um schließlich die Wichtigkeit einer geistigen Auseinandersetzung in der aktuellen Zeit des Übergangs hervorzuheben sowie die Notwendigkeit anzuführen, immer mehr Akteure einzubinden, um Vorurteile abzubauen und zu einer „Überwindung von innen und außen“ zu gelangen.

Ronald Grätz, der ifa-Generalsekretär, führte in dem ersten Einführungsvortrag mit Hinweisen auf Problemfelder wie neue Feindbilder, künstliche Intelligenz, Umwelt, internationale Dauerkrisen, Ressourcenverbrauch, Gesundheitsrisiken, Alterung der Gesellschaft, Migration und Veränderungen des EU-Gedankens zunächst die veränderten Rahmenbedingungen des Kulturdialogs an, um anschließend eine Reihe von Prinzipien für das Gelingen des Kulturdialogs aufzuzeigen, die sich angesichts einer Verbesserung der wissenschaftlichen Grundlagen für viele Probleme (etwa im Bereich Gesundheit und Bildung) ergeben. Fest stand für Ronald Grätz dabei, dass es mit Blick auf eine zunehmende Unsicherheit und Komplexität keine einfachen Lösungen geben könne. Insofern stünde die Vertrauensbildung an zentraler Stelle des Kulturdialogs, dessen Wesen Grätz mit Friedensarbeit gleichsetzte. An Ratschlägen für die mögliche Umsetzung eines Kulturdialogs herrschte angesichts des Erfahrungshintergrundes der ifa letztlich kein Mangel. Dies ließ sich von Grätz auch mittels der Anführung zahlreicher praktischer Beispiele zeigen, die von ifa auf den Weg gebracht wurden. Genannt wurden u.a. Koproduktionen und Ausstellungen von Wissenschaftlern und Künstlern aus aller Welt, die Schaffung neuer Plattformen etwa zum Austausch von kulturellem Wissen über den „Süden“ und die Orchestrierung eines „Süd-Süd-Dialogs“ usw. Der Nationalstaat, so Grätz, müsse weiterentwickelt werden, es sollten neue Kulturräume und gemeinsame Identitätsräume entstehen. Als wichtige zivilgesellschaftliche Institutionen in Deutschland, die den Kulturdialog moderierten, führte Grätz u.a. den DAAD und das Goethe-Institut an. Um den Kulturdialog lebendig gestalten zu können, bedürfe es der Distanz zum Staat, entsprechend stammten die Hauptakteure des internationalen Kulturdialogs aus zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen. Die ifa, so Grätz, verstehe sich als Brückenbauer, man berate und vermittle Kenntnisse, mit Entscheidern aus der Politik würde gearbeitet, doch komme es nicht zu einer Instrumentalisierung.

Yang Xiaochun, der stellvertretende Leiter des Center for International People-to People Exchange im Bildungsministerium der Volksrepublik China, ging in dem zweiten Eröffnungsvortrag auf Zusammenklänge in der chinesisch-deutschen Kulturgeschichte ein. Eine besonders enge Beziehung gebe es in der Philosophie, wie er am Beispiel von Karl Marx und Friedrich Engels erläuterte. Nach seiner Würdigung der guten Entwicklungen der diplomatischen Beziehungen in den zurückliegenden Jahrzehnten ging Yang näher auf die im Jahr 2013 von Präsident Xi Jinping auf den Weg gebrachte One Belt One Road (OBOR)-Initiative ein, bei der es sich um eine win-win-Beziehung für alle Beteiligten handele. Die im Rahmen von OBOR unternommenen Anstrengungen dienten vor allem dem Frieden und der Überwindung von Unsicherheit, dem Kulturaustausch komme dabei eine hohe Bedeutung zu. Mehrere von Präsident Xi seit 2014 auf den Weg gebrachte Initiativen, bei denen der Austausch im Mittelpunkt stehe, wurden angeführt, die Gründung einer Plattform wie das CDGKA zur Förderung des kulturellen und geistigen Austauschs, der das gegenseitige Verstehen fördere, gehöre ebenso dazu. Als drei zentrale Anliegen hob Yang Xiaochun zum Schluss hervor, dass 1. gemeinsame Konzepte gefunden werden sollten; 2. Bildung zu fördern sei ungeachtet weiterhin bestehender Probleme; 3. Kontakte vertieft werden sollten. Mit Blick auf den beidseitig erwünschten Erfolg mögen Bewährtes fortgeführt und Konflikte vermieden werden.

Der nach der Pause angesetzte 1. Panel stand unter dem Motto „Veränderungen in Deutschlands Kulturbeziehungen zu China“. Dr. Ulrich Schreiterer vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) für Sozialforschung ging in seinem Vortrag mit dem Titel „Zur Entwicklung der Forschungszusammenarbeit mit China: Narrative und Muster“ zunächst allgemein auf die Forschungszusammenarbeit ein und führte die Wegmarken der Arbeit in den letzten Jahren an. In der internationalen Forschungslandschaft sei China angesichts der Zahl von Dissertationen und der angemeldeten Patente eine Größe, die wahrgenommen werde. Dr. Schreiterer wies auf Untersuchungen vor Ort und entsprechende Auswertungen hin, führte Forschungsfelder an und zeigte die Zusammenhänge mit China als einem „Markt der Zukunft“ auf. Er hob die chinesischen Interessen an Kooperationen hervor, betonte dabei die Wichtigkeit des Kompetenzerwerbs und verglich deutsche und chinesische Narrative. Abhängig von den jeweiligen Zukunftserwartungen und aktuellen Lagebildern sei ingesamt festzustellen, dass Kooperationen im Wandel begriffen seien, eine natürliche wissenschaftliche Konkurrenz selbst bei Kooperationen sei, so Schreiterer, immer vorhanden, es könne letztlich keinen Masterplan für eine Kooperation geben. In der anschließenden Diskussion kam die Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen dem Marktreiz einerseits und der Furcht, Patentwisssen preiszugeben andererseits auf. Wie letztlich Furcht abgebaut werden könne, blieb offen. Joint-Venture in der Technik wurden für sinnvoll erachtet, wichtig sei aber die Ergänzung durch Workshops zu Themen wie der Verbindung von Technik und Ethik. Dr. Wolfgang Röhr vom Institut für Deutschlandstudien der Tongji zeigte in seinem Beitrag zur vierzigjährigen deutsch-chinesischen Zusammenarbeit in Wissenschaft und Technik die zurüvkliegenden Entwicklungen auf. Frau Dr. Yu Zhouming vom CDGKA der Tongji-Universität ging in ihrem Beitrag „China, der ewige Fremde: Deutschlands Blick auf China“ anhand von historischen und aktuellen Beispielen (angeführt wurden u.a. Leibniz und Goethe, der Huawei-Bericht samt Zahlen zur Untermauerung der Thesen) auf das Auf und Ab in der Entwicklung des Chinabildes in Deutschland ein. Hatte es nach 1949 – insbesondere bei den „68ern“ – ein stark idealisiertes Chinabild gegeben, war dies im Laufe der Zeit unter dem Einfluss einer wachsenden China-Furcht (Stichworte „Menschenrechte“ und „Minoritäten-Problem“) einer steten Verschlechterung ausgesetzt worden. Frau Dr. Yu ging auf mögliche Missverständnise und die Rolle des Austauschs im Prozess der Wahrnehmung ebenso ein wie sie die Quellen der neuen Beschäftigung mit China in Deutschlanduntersuchte und objektiveres Wissen einforderte. Die Kompetenz der Medien sei zu hinterfragen. In Ihrem Schluss trug Frau Dr. Yu die These vor, Deutschlands China-Bild habe sich von einem „utopischen“ hin zu einem „ideologischen“ gewandelt. In der anschließenden Diskussion wurde mehr Differenzierung gefordert, auch kam der Bedarf an weiteren Studien auf. Frau Dr. Wacker von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) Berlin machte darauf aufmerksam, dass der Wendepunkt in der China-Wahrnehmung durch Deutschland das Jahr 1989 gewesen sei. Die Ereignisse des Jahres hätten die Hoffnung auf eine zunehmende Konvergenz zunichte gemacht. Dr. Schreiterer brachte in seinem Kommentar den Wandel des Chinabildes in den Zusammenhang mit einem gesunkenen Selbstbewusstsein in Deutschland.

Der abschließende 2. Panel des Nachmittags widmete sich den „Veränderungen in Chinas Kulturbeziehungen zu Deutschland“. Frau Xia Qing, stellvertretende Leiterin der Abteilung für europäische, asiatische und afrikanische Angelegenheiten beim China Scholarship Council erläuterte anhand von Statistiken und eines umfangreichen Zahlenmaterials in ihrem Beitrag zum Thema „Wie der Personalaustausch den chinesisch-deutschen gesellschaftlich-kulturellen Austausch ankurbelt“ die umfangreichen Maßnahmen Chinas zu staatlich geförderten Studienaufenthalten. Professor Zhang Ji, der Direktor des Forschungszentrums für International People-to-People-Exchange an der School of International Relations and Public Affairs der Fudan-Universität machte den Austausch von Forschern an den Tendenzen der Außenpolik im Laufe der historischen Entwicklungen fest. Darüber hinaus erläuterte Professor Zhang die Rolle Chinas als globaler Akteur und zeigte Ziele und Entwicklungen der Außenpolitik Chinas auf. Die Nutzenorientierung sei, so Zhang, ein wesentliches Merkmals der chinesischen Außenpolitik. Im letzten Vortrag des Tages, der den Titel „China und Deutschland im Kulturaustausch – eine Geschichte von Annäherung und Abstoßung“ trug, ging Frau Professor Anja Senz vom Institut für Sinologie der Universität Heidelberg mit einer transkulturellen Perspektive auf die wechselseitigen Dynamiken in beiden Ländern ein und veranschaulichte unter Anführung der staatlichen Akteure in China und der privaten Akteure die derzeit bestehenden Asymmetrieen.

Nach der Begrüßung am Morgen des zweiten Konferenztages stellte Frau Andrea Schwedler, Leiterin des Deutsch-Chinesischen Campus (CDC) an der Tongji zunächst besagten Campus vor und erläuterte anschließend Struktur und Ausbildung der Chinesisch-Deutschen Hochschule (CDH). Nach den mittlerweile für das Jahr 2018 vorliegenden Zahlen hat es in diesem Jahr insgesamt hundert Veranstaltungen im Rahmen CDC gegeben, an den der CDH zugeordneten Studien- und Ausbildungseinrichtungen, dem Chinesisch-Deutschen Hochschulkolleg (CDHK) und der Chinesisch-Deutschen Hochschule für Angewandete Wissenschaften (CDHAW) studieren derzeit 180 deutsche Studenten. Abschließend wies Frau Schwedler in ihrer Übersicht auf die vorhandenen Doppelabschlussprogramme sowie die strategischen Partnerschaften der Tongji mit mehreren Technischen Universitäten in Deutschland hin.

Das Thema von Panel 3 war dem „Globalen Wandel und den deutsch-chinesischen Kulturbeziehungen“ gewidmet. Oliver Radke, Senior Projektmanager für den Themenbereich „Völkerverständigung Amerika und Asien“ bei der Robert-Bosch-Stiftung zeigte mit Blick auf seinen eigenen sinologischen Werdegang Wege und Ziele eines Zugangs zu China auf. Wichtig seien u.a. praktische Erfahrungen im Austausch mit China, auch müsse man nach Formen und Möglichkeiten einer neuen Streit- und Diskussionskultur suchen. Für zahlreiche Begriffe in der deutschen und der chinesischen Kultur – Radke führte u.a. „renwen“ an – gebe es bislang keine gemeinsame Definition. Radke hob in dem Zusammenhang die Wichtigkeit guter Dolmetscher und Übersetzer im Mittlungsprozess hervor. Insgesamt, so seine Einschätzung der Lage in China und Deutschland, sei übereinander noch wenig Wissen vorhanden, wobei man – so Radke – in China mehr über Deutschland wisse als dies umgekehrt der Fall sei. Radke stellte in diesem Zusammenhang sein Projekt aus Karten mit einem „China-ABC“ vor, auf denen Vertreter beider Kultur ihre Vorstellungen zu zentralen Begriffen definieren. Radke hob die Möglichkeit eines verstärkten Zugangs zur Zivilgesellschaft in China als wichtige Maßnahme zur Vertrauensbildung hervor, er rief dazu auf, eigene Erwartungen an den Austausch zu formulieren und wies angesichts der international zunehmend wichtigen Rolle Chinas darauf hin, dass es dem Land nicht anstehe, weiterhin eine „Opferrolle“ zu beanspruchen. Einem Blick zurück auf die Zeit vor hundert Jahren war der Vortrag „Kulturkampf oder Kulturdialog? Zur Rolle der Intellektuellen in Krisenzeiten“ von Professor Hu Chunchun, dem stellv. Leiter des CDGKA gewidmet. Intellektuelle, so Hu, trügen in Zeiten der Krise ein besonderes Maß an Verantwortung. Seine Thesen verdeutlichte Hu am Beispiel des Kulturdialogs zwischen chinesischen Intellektuellen (Liang Qichao und Zhang Junmai) und deutschen Philosophen und Wissenschaftlern (Rudolf Eucken und Vertreter der Lebensphilosophie) vor einem Jahrhundert. Wichtige Ergebnisse aus diesem einst fruchtbar geführten Dialog (Hu wies u.a. auf den Einfluss der europäischen Lebensphilosophie auf den Neokonfuzianismus hin) seien bedauerlicherweise in Vergessenheit geraten – ein Appell an die Forschung, diesen Fragen verstärkt Aufmerksamkeit zu widmen. In einem herausfordernden Beitrag unter dem Titel „Geo-ökonomische und geo-politische Veränderungen. Implikationen für die deutsch-chinesischen (Kultur)Beziehungen“ ging Frau Dr. Gudrun Wacker vom SWP Berlin zunächst auf den größeren politischen Rahmen für die deutsch-chinesischen Beziehungen ein. Wesentliche Herausforderungen sah sie u.a. in einer Regelbasierung des Miteinanders, der von Russland verursachten Krise auf der Krim sowie Entwicklungen, die mit der Verfasstheit der EU, der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz zusammenhängen. Wacker wies auf einen festzustellenden Diskurswechsel in China hin. China, so Wacker, vertrete heute international klar formulierte Ambitionen, sichtbar werdend etwa an der seit mehreren Jahren laufenden Initiative im Rahmen von OBOR. Mit Blick auf die künftige Rolle der USA prognostozierte Wacker, dass es selbst in einer Ära nach Trump nicht zu einer Rückkehr zu dem status quo ante kommen werde. Da sich die USA zunehmend aus internationalen Kontexten zurückzögen, besetze China leer werdende Räume. Europa, so Wacker, stehe nach wie vor im Wesentlichen an Seite der USA, wähle aber nicht diegleiche politische Herangehensweise (u.a. keine Strafzölle). Im Zusammenhang mit China wies Wacker auf die international gewachsenen Interdependenzen hin (etwa in der Wirtschaft), was in Ländern des Westens angesichts unsicherer Pespektiven zu einer Furcht vor dem Verlust der eigenen Vorteile geführt habe. Während man Chinas internationale Ambitionen recht deutlich ausmachen könne (erwähnt wurden u.a. „Chinas Traum“ und “China 2025“ sowie entsprechende Äußerungen von Staatspräsident Xi Jinping), blieben die Ambitionen der USA vielfach unklar. Kritisch setzte sich Wacker mit der durch Chinas Einfluss bedrohten Einheit der EU auseinander und ging auf politische und ideologische Einflussnahme ein. In diesem Zusammenhang wies sie auf eine mittlerweile oft anzutreffende Reaktion im Westen hin, der das Argument zugrunde liege, dass die offenen Gesellschaften des Westens von China genutzt würden, ohne dass dem Westen mehr Einfluss in China zugestanden würde. Wacker wies in diesem Zusammenhang auf die stärker werdende Rolle der KPCh in der Wirtschaft, die neuen NGO-Gesetze, das Social Credit System, das Verbot ausländischer VPN sowie auf Parteizellen in Firmen und Institutionen hin. Im Westen beginne man sich zu fragen, was überhaupt das immer wieder zitierte „win win“ sei. In seinem Panel 3 abschließenden Vortrag zum Thema „Die neue technische Revolution und die Innonationszusammenarbeit zwischen China und Deutschland – Wettbewerbspolitik als Beispiel“ stellte Professor Yu Xinmiao, Vizedirektor des Institute of Intellectual Property der Tongji-Universität, klar, dass es derzeit keine effiziente Kooperation für Wettbewerbspolitik zwischen beiden Ländern gebe. Unterschiedliche Auffassungen und Maßnahmen veranschaulichte Yu u.a. am Beispiel des Umgangs mit personellen Datein bei Facebook und einem Vergleich des Bundeskartellamt mit Chinas Wettbewerbsbehörde. Yu erwähnte u.a. rechtliche Schritte in China gegen Baidu aufgrund der Manipulation von Suchergebnissen. Yu erläuterte weiterhin, dass chinesische Firmen zum Schutz von Unternehmensinteressen mitlerweile auch andere juristische Räume nutzen und wies in diesem Zusammenhang auf eine von Huawei in Deutschland geführte Klage gegen ZTE hin. Er rief dazu auf, die mit dem Wettbewerbsthema zusammenhängenden Fragen im Rahmen weiterer Workshops zu erörtern, wie es sie 2018 an der Tongji gegeben habe.

Der letzte Panel 4 ging auf die „Wirkungen der Kulturbeziehungen im Inland“ ein. Professor Caroline Robertson-von Trotha, Gründungsdirektorin des Zentrums für Angewandte Kulturwissenschaft (ZAK) und Studium Generale am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) veranschaulichte in ihrem Beitrag zu „Diversität als soziales Potential“ anhand einer Reihe von Beispielen der akademischen Praxis die Form gelebter Internationalität am KIT (angeführt wurden u.a Lehrveranstaltungen und Inhalte, internationale Zusammensetzung der Studenten und diverse Filmreihen). Herr Zhang Yong, Vorsitzender der „China Youth Music Competition Administration“ zeigte anhand zahlreicher Beispiele die Aktivitäten und Entwicklungen bei der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China im Bereich der Musik auf, nachdem in China der deutsche Wettbewerb „Jugend musiziert“ eingeführt worden war. Die im südchinesischen Shenzhen beim Satelliten-TV arbeitende Regisseurin Chi Hui stellt mit dem Film „The Future we make“ eine chinesische Dokumentarfilmsere vor, die Ende November 2018 erstmalig ausgestrahlt worden war. Entstanden ist die gemeinsam von Partnern in Deutschland und China getragene Produktion in den zurückliegenden 2 Jahren. Besucht wurden in dieser Zeit mehr als 60 deutsche Betriebe in über 10 größeren und kleineren Städten, um Einblicke in deutsche Unternehmenskultur, Betriebsstrukturen usw. zu gewinnen und für Entwicklungen in China fruchtbar zu machen. Auf Rückfrage während der Diskussion bekräftigte Frau Chi, dass u.a. ein Ziel des Films darin bestanden habe, Stereotypen und Vorurteile abzubauen. Seit dem 28. November 2018 wird die Serie jeden Mittwochabend um 21:35 im Satelliten TV von Shenzhen gezeigt. Panel 4 schloss ab mit dem Vortrag von Frau Professor Zhao Jin (Dekanin der Deutschfakultät an der Tongji-Universität) zum Thema „Die Ausbildung von Deutschlehrkräften in China: Chancen und Herausforderungen“. Schwerpunktmäßig befasste sich der Vortrag mit den vielfältigen Entwicklungen in der Deutschausbildung an der Tongji-Universität.

Das erste Schlusswort wurde von Professor Zheng Chunrong, dem Direktor des Deutschlandforschungszentrums an der Tongji-Universität vorgetragen. Angesichts der vielen Inhalte in den Konferenzbeiträgen und einer zum Teil kontrovers geführten Debatte wies Zheng auf die grundsätzliche Bedeutung der Zusammenarbeit sowie die Suche nach Formen hin, die jeweils den Gegebenheiten und Bedürfnissen der Partner in China und Deutschland gerecht werden sollten. In China, so Zheng, bestehe innerhalb einer äußerlich gegebenen Einheit große Vielfalt. Es sei in der Auseinandersetzung stets wichtig, Selbst- und Fremdbilder miteinander abzugleichen sowie die Ursachen vermeintlicher Probleme zunächst bei sich selbst, nicht beim anderen zu suchen. Im Bewusstsein einer bestehenden Konkurrenz gelte es, nach den Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu suchen. Die internationale Stellung und der Status der Partner sei zu berücksichtigen, damit es gelinge, mitSelbstvertrauen ein gemeinsames Verständnis zu erreichen. Frau Dr. Triebel kam schließlich im zweiten Schlusswort auf Projekte und den Bedarf an anhaltender Kooperation zu sprechen. Sie wies u.a. auf die Notwendigkeit einer größeren Sichtbarkeit hervor, führte als wichtigen Bereich die Chinastudien in Deutschland an und erwähnte Debattierwettbewerbe. Dr. Triebel schlug vor, die gemeinsamen Arbeiten am Kulturbegriff, von dem es im Deutschen – wie mehrmals während der zwei Tage hervorgehoben – über 150 Definitionen gebe, zu intensivieren. Vor den Eindrücken der zweitägigen Veranstaltung an der Tongji zeigte Dr. Triebel Forschungsbedarf u.a. bei Fragen auf wie: die verstärkte Herausarbeitung historischer Linien; die Auseinandersetzung mit Missverständnissen; die Analyse gescheiterter Kooperationsprojekte; die Bestimmung von Fragen dazu, was überhaupt Erfolgskriterien für ein Projekt sind; die Abgleichung von Absichten und konkreter Praxis von Programmen. Hier ergebe sich, so Dr. Triebel, Inhalt für mindestens drei weitere gemeinsame Konferenzen in der Zukunft.

(Artikel von Thomas Zimmer, thomaszimmer@tongji.edu.cn)