Jiang Yuechun schwört auf traditionelle Chinesische Medizin (TCM), nachdem westliche Behandlungen nicht gegen die Dutzenden Warzen auf ihrem Handrücken genützt haben. Sie ist eine von vielen Chinesen, die TCM-Behandlungen den westlichen Behandlungsmethoden vorziehen, zumal ihr Heimatland die Internationalisierung seiner traditionellen Medizin fördert. TCM wird bereits in rund 140 Ländern praktiziert, doch ist nur in wenigen Ländern Teil des Gesundheitssystems. "Trotz der Beliebtheit von TCM im Ausland erkennen nur wenige Länder, beispielsweise Singapur, die TCM rechtlich an", erklärt der ehemalige Präsident der Beijinger Universität für Chinesische Medizin, Long Zhixian. "Nur wenige Länder schließen TCM in ihr Gesundheitssystem ein."
Artemisinin – ein Extrakt der Ebernraute zur Behandlung von Malaria – sei die einzige TCM, die im Ausland breite Akzeptanz findet, hauptsächlich in Afrika, wie Gao Xuemin, Professor an der Beijinger Universität für Chinesische Medizin, erklärt. Die Weltgesundheitsorganisation listet es in ihrem Katalog für essentielle Medikamente auf.
Mehrere andere traditionelle Behandlungsmethoden, darunter solche gegen kardiovaskuläre Krankheiten, werden im Ausland klinisch geprüft und könnten bald für die internationale Durchführung genehmigt werden. Doch Long weiß, dass es viele Hindernisse für die Expansion der TCM im globalen Markt gibt.
Die vielleicht größte Herausforderung ist, dass TCM auf der traditionellen chinesischen Kultur und Philosophie beruht. Das schließt Konzepte wie die Balance des Yin (des Kalten, Ruhigen im Körper) und Yang (des Heißen, Stimulierenden) ein, und die Beziehung der fünf Elemente, die das Universum machen – Feuer, Erde Metall, Wasser und Holz. "Die westliche Kultur ist völlig anders", so Long. "Es ist nicht leicht, an die TCM zu glauben, wenn man diese Theorien nicht versteht." Er erklärt, eine weitere Schwierigkeit sei der Unterschied in wissenschaftlicher Hinsicht. "Westliche Wissenschaftler bewerten experimentelle Daten in der Medizin, während die TCM auf der Erfahrung von über 4.000 Jahren beruht", so er. "Sie wollen die TCM aufgrund ihrer westlichen medizinischen Perspektive verstehen. Aber das macht keinen Sinn. Meiner Meinung nach ist Medizin gut, wenn sie Menschen heilt."
Über 9000 TCM-Medikamente wurden für den Verkauf auf dem Markt 2008 genehmigt, wie es im Weißbuch über Medikamentenkontrolle in China heißt. Diese TCM-Medikamente sind alle durch klinische Sicherheitstests gegangen. Die meisten haben eine Geschichte von mehreren Jahrhunderten, so Long. "Mit der derzeitigen Technologie können die aktiven Bestandteile in einigen TCM-Medikamenten, die sehr kompliziert zusammengesetzt sind, nicht entdeckt werden", so er.
Long erklärt, es sei schwierig, die Zahl und den Anteil an Bestandteilen in den meisten TCM-Medikamenten festzustellen. Zu bestimmen, welches die aktiven Bestandteile sind, sei eine noch größere Herausforderung. Artemisinin ist eine Ausnahme, weswegen das Medikament erfolgreich globalisiert werden konnte.
TCM-Arzt Zhou Chaofan erklärt, eine weitere Herausforderung für die Internationalisierung sei die, dass die Standards für Medikamentenexporte sich von Land zu Land unterscheiden und dass die chinesischen Standards häufig nicht den ausländischen genügen. "In einigen TCMs werden Schwermetalle verwendet, beispielsweise Zinnober und Realgar, was den Kriterien einiger Länder im Ausland nicht genügt", so Zhou.
Long stimmt zu. "Standards für Schwermetalle unterscheiden sich von Land zu Land", so er. "Es ist schwierig, einen globalen Standard für die TCM aufzustellen, denn die Medikamentenbestandteile sind kompliziert." Doch Long bleibt optimistisch. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die TCM offiziell in den globalen Markt eintritt", so er. "Wir selbst müssen die chinesische Kultur verbreiten, so dass Ausländer die Philosophie der TCM verstehen können." Der Markt werde sich mit Sicherheit öffnen, wenn die TCM Krankheiten heilen kann, die die westliche Medizin nicht heilen kann. Und mehr Experimente würden klinische Nachweise der Nützlichkeit und Anwendbarkeit der TCM bieten.
Dutzende westliche Pharmaunternehmen stellen derzeit Forschungen in diese Richtung an, in der Hoffnung, dass sie in den chinesischen Markt als ausländische Marke eintreten können. "Dies ist ein typischer Ansatz", so Long. "Zunächst nehmen sie ein TCM-Medikament wahr, dann forschen sie und schließlich produzieren sie es. Doch der Einfluss auf den chinesischen Markt ist begrenzt."
Doch manch einer sieht die Aussichten für die Internationalisierung der TCM als nicht so viel versprechend an. Unter ihnen ist Fang Zhouzi, ein Wissenschaftler, der bekannt für seine Opposition gegen die "Pseudowissenschaft" und TCM ist. "TCM-Theorien sind nicht wissenschaftlich", so Fang. "Sie sind einfach eine Mischung aus Aberglaube, Metaphysik, Philosophie und Hexerei. Sie sollten durch bessere medizinische Forschung ersetzt werden. Einige Theorien sind absolut nicht logisch, beispielsweise das Essen von Knochen zur Stärkung der eigenen Knochen."
Nun, die Zeit, Tests und internationale Meinungen werden eröffnen, ob die TCM eine Basis für Quacksalberei oder eine Säule für das globale Gesundheitswesen ist.